Und täglich grüßt das Murmeltier?

Männer-Netzwerktreffen 2024

Und täglich grüßt das Murmeltier (so ein Filmtitel). Und wieder einmal: Das jährliche Männernetzwerk-Treffen steht an. Traditionell im Juni, diesmal vom siebten bis zum neunten. Das 15. Mal inzwischen. Ein jährliches Treffen von Männern, die sich miteinander verbunden fühlen. Die alle die Erfahrung gemacht haben oder machen wollen, wie das Zusammensein unter Männern stärkend wirken kann. Ein Austausch unter Männern, die sich dem Thema „Initiation“ widmen, was immer das auch bedeuten mag. Es geht hier weniger um einen Begriff, als um die Erfahrung. Um das, was man(n) „die innere Themen auf dem Weg zum Mann-Sein“ nennen könnte. Und es geht um ein Wieder-Sehen, Wieder-Begegnen, um ein Anknüpfen. Innerlich und äußerlich. Es sind doch meist die gleichen Kandidaten, die da auftauchen, so dachte ich mir im Vorfeld. Und ich freute mich darauf: auf die bekannten Gesichter, auf die Fortsetzung dessen, was wir gemeinsam teilen bzw. schon geteilt haben. Durchlebte Krisen, auch aktuelle Krisen, die den ein oder anderen gerade plagen. Vertraute Räume und Gespräche in der großen oder kleinen Runde, ein Glas Wein am Abend. Lachen, Schulterklopfen, Traurig-Sein, Anteilnahme, Hören und Gehört-Werden. Sich mal wieder wohlig zurücklehnen in einer Atmosphären von Vertrauen und Achtsamkeit. Und gemeinsam was schaffen, im Innenleben und Außenleben. Gemeinsam kochen, Nahrung heranschaffen, Essen und Trinken, Spülen und sauber machen. Räume gestalten, die zum Erzählen einladen und all die Geschichten, die jeder in sich trägt, angemessen würdigen, aktiv teilen und in den gemeinsamen Raum einbetten. Vielleicht auch einen neuen Schritt machen oder Vorbereiten, mit Hilfe der anderen Männer. Vertrauen stärken und gewinnen durch solch ein Netzwerk.

Letztes Jahr war ich nicht dabei, konnte es mir beruflich nicht einrichten. Auf dieses Jahr freute ich mich umso mehr. Und nach drei, vier schweren Jahren, die ich hinter mir habe, letztendlich die tiefste persönliche Krise, die ich bisher bewusst erlebt hatte, fühlte ich mich ziemlich unbeschwert und gut in meiner Kraft. Es gab bisher auch schon öfters Treffen, vor denen es mir eher mulmig war. Treffen, vor denen ich mir überlegt habe, wie ich es schaffe unter den vielen Männern, mich zu zeigen. Es fiel mir oft nicht leicht, mich innerlich wirklich zu öffnen und zu zeigen; zu sagen, was wirklich in mir vorgeht und was ich denke. „Wie geht es mir diesmal mit meinem latenten Gefühl von Minderwertigkeit? Wie mit der Scham, die tief in mir drin vergraben ist und immer wieder plötzlich mal auftaucht? Vor allem die letzen Jahre waren diese Gefühle oftmals stark, natürlich nicht nur bei solch einer Runde. Und klar; die Männerrunde im Netzwerk kann ja genau der Ort sein, um auch gerade diese Gefühle zu teilen und um dabei zu erfahren, dass ich Unterstützung bekomme und ich nicht alleine dastehe.“ Ich kenne es aber leider nur zu gut, dass man(n) sich da hauptsächlich ja selbst im Weg steht mit diesen Themen. Und wenn mir die bisherigen Netzwerktreffen auch immer durchweg gut getan haben und einen Raum geboten haben, wo ich mich angenommen gefühlt habe, so war da auch immer wieder eine Ängstlichkeit.  Und es gibt ja auch in solch einer Runde immer die Alphatiere. Männer, die gerne im Mittelpunkt stehen und den Ton mitbestimmen. Zu denen ich und man(n) selbst vielleicht gerne dazugehören möchte. Männer, die ihre Erfolge zeigen und glänzen können. Und natürlich eignet sich das Feld der Krisenbewältigung und Lebensmeisterung auch hierfür, selbst oder gerade in einer grundlegend vertrauensvollen und achtsamen Atmosphäre. Der Grat zwischen stärkender Unterstützung, die ein Mann dir bietet und subtilem, besserwisserischen Herrschaftsgebären ist schmal, auch in solch einer konstruktiven Runde, wie einem Netzwerk-Treffen. Letztendlich bietet ein Netzwerktreffen aber die Möglichkeit, einmal etwas Urlaub von meiner Alltags-Männerrolle zu machen, etwas Abstand zu gewinnen. Gerade auch über solche Themen nachzudenken. Und zu schauen, was liegt denn darunter, was ist mir wirklich wichtig, was ist mit dem Kern in mir? Wie geht`s mir eigentlich gerade da ganz tief in meinem Innersten und wie kann ich das in Kontakt und Begegnung mit den anderen Männern bringen (und natürlich mit mir selbst)?

Mir selbst ging und geht es dieses Jahr zum Glück ganz gut, auch im Kontakt mit mir selbst. Und das sollte es mir doch erleichtern, mit den Männern dort eine gute Zeit zu haben, so dachte ich mir. Auf der Teilnehmerliste sah ich, dass es rund fünfzig Männer sind, die kommen werden. Wow! Eine wirklich große Runde. Und das auf den Langenhard. Ein total schöner Platz mit zwei Seminar- und Gruppenhäusern, weitläufig mit sehr viel Platz drum herum, grün, Wald, tolle Aussicht, Feuerstelle. Und viel Ruhe, wenn man die auch zwischen drin mal sucht.

Ich war spät dran. Als ich dann dort war und mit meinem Gepäck Richtung Haus marschierte, sah ich die vielen Männer, die vielen bekannten Gesichter und auch bei manchen die Wiedersehensfreude darauf. Es gibt aber auch viele Männer, die ich nicht (oder vielleicht auch nicht mehr) kenne, dachte ich. Und tatsächlich, als es in der großen Begrüßungsrunde losging, zeigte sich, dass es mehrere Männer gab, die zum ersten Mal auf dem Netzwerktreffen waren. Nichts mit dem täglichen Murmeltier und dem altbekannten, gleichbleibenden Lauf der Dinge. Vor zwei Jahren gab es einen Umbruch im Netzwerk, neue Strukturen, ein teilweise neues Leitungsteam und eine Absprache, dass Verbindlichkeit unter den Mitgliedern des Netzwerks eingefordert wird. Neuen Wind. Und zwei Jahre später nun, war dies tatsächlich auch wahrnehmbar; dass sich da was im Aufbruch befindet. „Neue und alte“ Teilnehmer, die sich am Freitagabend innerhalb kürzester Zeit miteinander verbunden haben. Eine beeindruckende Kraft und Stimmung in der Runde.

Am Samstag ging jeder für sich ein paar Stunden alleine in eine sogenannte Solozeit. Mit einigen Fragen im Gepäck, die jeden mehr dahin führen sollten, was im Leben gerade wirklich wesentlich ist, zwei Stunden in die Natur. „Geh deinen Weg“ Mit dieser Musik und einem Segen wurde jeder Mann einzeln losgeschickt. Mit der Frage, was da auftaucht im Innern, wenn du mit dir und der Natur für ein paar Stunden alleine bist. Aber eingebettet in eine Gemeinschaft, in der alle gerade dieser Frage nachgingen. Und mit dem Auftrag ein Symbol aus der Natur mitzubringen, das später in Kleingruppen in einem Erzählraum seinen Platz finden sollte. Jeder brauchte so seine Geschichte und sein Symbol mit in eine Runde von dann sieben bis acht Männern, die gegen den Spätnachmittag stattfand. Am Morgen nach dem Frühstück gab es übrigens das obligatorische Morgenritual: Stille, Körperwahrnehmung in sanfter Bewegung, eine Weisheitsgeschichte die vorgelesen wurde und das Körpergebet. Um aber nun wieder auf das Symbol zurückzukehren, das jeder für sich aus der Natur mitgebracht hatte. Nach dem Austausch über das, was einen während der Solozeit bewegt und den mitgebrachte Naturgegenstand, war gemeinsame Kreativität angesagt. Es ging darum, eine gemeinsame Installation (hier war keine Sanitär-Teamwork gemeint) oder eine Skulptur aus allen mitgebrachten Symbolen zusammen zu erschaffen. Alle Kunstwerke sollten dann um einen schönen Baum herum im Hof aufgebaut werden. Jede Gruppe sollte ihr Kunstwerk zum Schluss dieses Prozesses und vor dem Abendessen betiteln und mit kurzen Worten den anderen vermitteln. Mein Symbol waren ganz durchgetrocknete Kuhfladen, die bestens gebrannt hätten und ein kaputter, löchriger, roter Eimer, von dem mehr schon fehlte, als noch vorhanden war, und der meine Fladen trotzdem noch sicher transportierte.

In der Austauschrunde erzählte ein Mit-Mann dann von seiner Verletzlichkeit, die ihm in der Solozeit spürbar wieder in der Erinnerung begegnete. Er erzählt wie er schon als Junge, in seiner eigenen Welt versunken, mit Dingen gebastelt hat, die eigentlich wertlos waren und entsorgt hätten werden sollen. Er hat daraus etwas Neues gemacht, das ihm selber wichtig und teuer war. Gesehen hat das so niemand in seiner Welt/Familie, er war alleine damit. Aber all die kleinen unscheinbaren Basteleien aus Materialien, die nutzlosem Zeugs bestanden, haben ihn irgendwie getragen. Haben ihm den eigenen Wert, den Selbstwert eines kleinen Jungen, irgendwie durch-tragen und bewahren lassen in einer destruktiven Familie. Und das Blatt oder der Ast, den er mitbrachte, ich weiß es leider gar nicht mehr genau, hat ihn daran erinnert. Das unscheinbare Ding aus der Natur hat ihn erinnert an die Zeit damals, in der sein Schmerz, aber auch seine eigene Kraft, entsprungen sind. Und sein Schmerz und seine Verletzlichkeit waren spürbar als er seine Geschichte erzählte. Mich hat das sehr berührt. Auch seine Reife als Mann, der inzwischen das Berufsleben hinter sich hat und sich so mit den kindlichen Anteilen verbinden kann. Ich musste daran denken, wie ich als kleiner Junge mit kleinen, bunten, unscheinbaren Holzklötzchen kleine Kunstwerke gebaut habe. Diese Kunstwerke waren sorgsam gebaute Häuser und Gehege, die all meine kindlichen Begleiter, das waren die verschiedensten Tiere, in echt oder in Phantasie, beherbergt haben. Ich war damals auch versunken in meiner Welt, während die Familie kein Ort war, um mir Halt zu geben. Und ich spürte in der Runde und in dieser Erzählung meine eigene Geschichte wieder. Die fast gar lebensfeindliche Umgebung meiner Kindheit und die eigene Kraft im Gestalten von scheinbar unnützen Dingen. Beides hängt untrennbar zusammen. Und so entstand schon damals eine (verborgene) Kraft, die schützt und trägt, was so kostbar ist. Diesen eigenen inneren Kern, der inzwischen immer mehr nach außen wirken kann. Auch mit Hilfe solcher Runden im Kreis von Mit-Männern. Und so ging es auch manch anderem Mann in der kleinen Runde, das wurde beim gemeinsamen Erzählen deutlich.

Das Wochenende ging weiter mit der „Ausstellung“ der verschiedene Kunstwerke jeder Kleingruppe in der großen Runde. Und natürlich auch am Abend und am Sonntag haben wir „geschafft und gefeiert“. Für mich ist das hier jetzt aber ein idealer Schlusspunkt, um meine Impressionen von letzten Netzwerktreffen zu beenden. Dankeschön fürs Dabeisein.

Dieter Löffler

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